INTERVIEW

Eltern wollen, dass ihre Kinder weiter kommen. Mal direkt Frau Schubert, welchen Erfolg haben Sie mit der Frühförderung?

––> Nicht ich habe den Erfolg, sondern das Kind. Es ist erfolgreich, weil es durch die Förderung reicher wird an Erfahrungen, Kompetenzen und positiver Selbstwahrnehmung.

Können Sie jedem Kind bei seiner Entwicklung helfen?

––> Ja. Der Ausgangspunkt dabei ist, zu verstehen: Warum ist das Kind so wie es ist. Und dann bekommt es von mir die individuelle Hilfe, die es für seine nächsten Entwicklungsschritte braucht – unterstützt von den Eltern. Wir sind als Lerngemeinschaft erfolgreich: das Kind, seine Eltern und ich.

Mit welchen Sorgen oder Fragen kommen die meisten Eltern zu Ihnen?

––> Alle Kinder und ihre Eltern haben ihre jeweils speziellen Anliegen. Das kann eine Sprachauffälligkeit sein oder die Schwierigkeit, so schnell zu lernen wie andere Kinder. Manchmal finden Eltern ihr Kind schwierig und sind sich nicht klar, warum es sich so verhält. Andere sagen, ihr Kind sei chaotisch und habe wenig Struktur. Oder sie sind besorgt, weil sie Bewegungs- und Koordinationsprobleme sehen.

Für welches Alter kommt Frühförderung in Frage?

––> Sie kann ab der Geburt beginnen und bis zum Schuleintritt reichen. Der Rahmen ist im Sozialgesetzbuch festgelegt. Möglich ist die frühe Förderung für alle Kinder, die besondere Hilfen, Förderung und Begleitung für ihre Entwicklung benötigen.

Wo arbeiten Sie mit den Kindern?

––> Zu Hause, in der Krippe, im Kindergarten, oder auch bei der Tagesmutter. Ich arbeite mit dem Kind also in seinem direkten Lebensumfeld. Ich biete den Eltern auch an, in meine Praxis nach Rastede zu kommen. Dort haben die Kinder vielfältige Wahrnehmungs-, Bewegungs- und Erlebnismöglichkeiten: in der Natur, mit unseren großen und kleinen Tieren oder in dem vielgestaltigen Hof- und Gartengelände.

Warum beziehen Sie auch Tiere mit ein?

––> Wir haben am Haus drei Islandpferde, einen Labradorhund, eine Katze und einen kleinen Hühnerhof. Diese Tiere sind sehr menschenbezogen, gut ausgebildet und zuverlässig. Dadurch habe ich schöne Möglichkeiten für eine tiergestützte Arbeit mit den Kindern. Grundlage hierfür ist der besondere Zugang, den Tiere zur kindlichen Seele entwickeln können. Sie fragen nicht nach Aussehen, Intelligenz oder sozialer Stellung, sondern schenken ihre Zuneigung vorurteilsfrei. Die Tiere vermitteln Ursprüngliches: Lebensfreude und Spaß, die Förderung von Entspannung, die Möglichkeiten zum emotionalen Dialog und die Erfahrung von persönlicher Kompetenz. Tiere sind in der pädagogischen Arbeit einzigartige Verbündete und Wegbegleiter.

Sie bieten als Besonderheit auch Kindergruppen an?

––> Ja, in Kleingruppen können sich die Kinder in der Interaktion mit anderen Kindern und mit der Unterstützung der Tiere weiterentwickeln. Ich arbeite dabei im Team mit einem männlichen Pädagogen. Die Kinder lernen Kontaktaufnahme, Achten und Beachten von Grenzen, soziale Handlungsfähigkeit, Helfen und Umsicht, Frustrationstoleranz und Regelakzeptanz.

Worauf kommt es Ihnen in Ihrer Arbeit mit den Kindern besonders an?

––> Es muss Spaß machen zu lernen. Fröhlichkeit und Forschergeist sind das Lebenselexier für Kinder. Sie sollen sich spielerisch erproben und sich auch beweisen können. Ich stelle fest, dass die Anforderungen enorm sind, die heute an Kinder gestellt werden. Und sie werden noch weiter ansteigen: kognitiv, sozial, kommuni- kativ, motorisch, sprachlich. Unsere Kinder brauchen also Fähigkeiten, Strategien und Selbstvertrauen, um diese Anforderungen zu meistern. Dabei unterstütze ich die Kinder mit den jeweils geeigneten Mitteln und Methoden.

Gibt es dabei einen festgelegten Ablauf?

––> Ich mag keine genormten Standardprogramme. Das Kind sehe ich in seiner Einzigartigkeit. Außerdem beachte ich die individuellen Gegebenheiten und die Möglichkeiten des Kindes und seiner Familie. Es gibt bei mir also immer eine individuelle Diagnostik und darauf aufbauend ein Förderkonzept, das zu genau diesem Kind passt.

Welchen Grundsätzen folgt Ihre Arbeit?

––> Erstens: Jedes Kind ist lernfähig und entwicklungsfähig. Das gilt auch für mehrfach schwerstbehinderte Kinder. Zweitens: Ich betrachte das Kind nicht isoliert, sondern in seinem sozialen System aus Personen, Beziehungen und konkreten Umfeldgegebenheiten. Drittens: Ich verbinde fundierte Pädagogik mit Liebe, Respekt und Achtsamkeit für das Kind. Und viertens: Ich schaue auf den breiten Strom der Möglichkeiten des Kindes und nicht auf das schmale Rinnsal von Defiziten.

Ist das für Sie persönlich nicht manchmal auch sehr anstrengend?

––> Ja – manchmal müssen wir Erwachsene uns ganz schön anstrengen, um ein Kind in seiner Besonderheit zu verstehen. Kinder machen es uns auch nicht immer leicht. Ich finde aber, dass sie ja auch alles Recht dieser Welt haben, dass wir Erwachsenen uns anstrengen. Denn wir wollen doch, dass unsere Kinder tolle Menschen werden können. Und da ist der Spaß wieder dabei: Wir lachen viel, tanzen zur Musik, spielen lustige Spiele genauso, wie es bei konzentrierter Arbeit ganz ernsthaft zugehen kann. Also die ganze Bandbreite. Eben das pralle Leben wie es wirklich ist.


„Es gibt keine Norm für das Menschsein. Es ist normal, verschieden zu sein.“

(Richard von Weizsäcker, ehemaliger Bundespräsident; 1993)